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„Jeder Mensch stirbt anders“ / „Auch im letzten Moment ein Gefühl dafür geben: Du bist nicht allein“

Sueli Küpper-Tetzel arbeitet seit 19 Jahren als Hospizhelferin in Eppertshausen

Sueli Küpper-Tetzel: Auch Trauer ist eine Farbe des Lebens.

EPPERTSHAUSEN In dem Moment, in dem ein Mensch das Leben verlässt: Gibt es etwas, das bei allen gleich ist? „Nein“, sagt Sueli Küpper-Tetzel, die bei diesem Moment schon oft zugegen war, wie nur wenige. „Jeder Mensch stirbt anders.“

„Jeder reagiert anders“, beschreibt sie, „das zeichnet die Vielfalt von Leben und Leiden aus.“

Sueli Küpper-Tetzel muss es wissen. Sie begleitet Sterbende oder schwer kranke Menschen auf ihrem letzten Weg. Seit 19 Jahren betreut sie als Hospizhelferin und gibt psychologische Unterstützung. Ehrenamtlich.

„Trauernde zu begleiten, das ist sowohl für die Sterbenden als auch für die Angehörigen sehr wichtig“, sagt sie. „Das Loslassen fällt sehr schwer.“ Angehörige müssten einen Weg in den Alltag zurückfinden. Dafür gebe es kein allgemein gültiges Rezept. Wichtig sei es, dass die Betroffenen spürten, dass sie nicht alleine sind. „Ich glaube, das Wichtigste für viele Sterbende am Hospizdienst ist, dass auch jemand außerhalb der Angehörigen oder Familie da ist, um zuzuhören und beizustehen.“

Wann sie gebraucht wird, das erfährt Sueli Küpper-Tetzel oft von den Angehörigen, die sich direkt an sie wenden. Es kann aber auch sein, dass sich das Pfarrbüro der katholischen oder der evangelischen Kirche bei ihr meldet. Ihre Hilfe ist ökumenisch. „Meist aber habe ich schon länger Kontakt mit den Betroffenen.“

 

Wie eine Welle am Strand

 

„Trauer ist wie eine Welle am Strand: Manchmal ist sie hoch und stark und manchmal weich und sehnsuchtsvoll“, sagt Sueli Küpper-Tetzel. „Und Trauer hat kein Ende.“ Umso erstaunlicher ist es, dass Sueli Küpper-Tetzel selbst vor Lebensfreude nur so sprüht – eine Freude, nicht aufgesetzt, sondern von innen heraus. Und dass sie einen Frohsinn ausstrahlt, den man geradezu jugendlich nennen könnte, wenn man nicht wüsste: in ihrem Personalausweis steht das Alter von 64 Jahren. Für sie ist diese Lebensfreude kein Widerspruch zu ihrem Ehrenamt. Im Gegenteil: „Genau das ist für mich der zentrale Punkt meiner Arbeit als Hospizhelferin: gute Energie zu teilen, zuhören, zusammen weinen und zusammen beten.“ Ihr Engagement in der Hospizarbeit bringe viele schöne Momente mit sich. Sie nennt Beispiele: „Ein Lächeln, wenn ich das Zimmer betrete. Geschichten von damals zu hören und auch viel zu lernen. Aber auch, anderen das Gefühl geben zu können: Du bist nicht allein! Ein ganz besonderes Erlebnis, vielleicht den nettesten Dank, den sie je von einem Sterbenden bekommen hat, nennt sie ebenfalls: „Das war, als eine liebe Dame mir gesagt hat: "Wenn ich auf der anderen Seite bin, dann werde ich auf Dich aufpassen. Wir sind für immer verbunden."“

 

Das Wichtigste: zuhören können

 

In ihrer Heimat Brasilien hat Sueli Küpper-Tetzel fünf Jahre lang als OP-Schwester gearbeitet. Schon 2002, vor 20 Jahren, war sie ehrenamtlich bei Caritas in der Pfarrei St. Sebastian engagiert in Eppertshausen, wo auch heute noch ihr Wirkungsfeld als Hospizhelferin ist. „Schon damals habe ich viele Krankenbesuche gemacht“, sagt sie. „Für mich war es daher nur ein weiterer Schritt, als Hospizhelferin tätig zu sein.“ Für diese Arbeit ließ sie sich offiziell ausbilden. „Das war von Oktober 2002 bis Mai 2003.“ Sie belegte Seminare unter Leitung von Pfarrerin Dorothee Benner und mit Pfarrer Walter Ullrich. Außerdem absolvierte sie ein Praktikum im Elisabethstift in Darmstadt. Organisiert wurde die Ausbildung vom „Christlichen Arbeitskreis Hospiz Dieburg, Groß-Zimmern, Eppertshausen“, dem Vorläufer des heutigen Hospizvereins Vorderer Odenwald – einen Verein, den sie sehr lobt, auch wenn sie von diesem unabhängig ihrem Ehrenamt nachgeht: „Der Verein macht eine ausgezeichnete Arbeit!“

 Welche Voraussetzungen sollte man als Hospizhelfer*in eigentlich mitbringen? „Das Wichtigste ist, zuhören zu können und das Gehörte für sich zu behalten, also diskret zu sein“, sagt sie. „Außerdem ist es wichtig, Grenzen zu setzen, um die Psyche, aber auch das eigene Privatleben zu schützen.“

 

Weinen und beten

 

Zurzeit sei die Trauerbegleitung wegen der Corona-Pandemie noch immer eingeschränkt. „Corona hat das Sterben insofern verändert, als die Betroffenen oft alleine sind.“ Besuche seien nur sehr eingeschränkt möglich. So habe sie am Anfang der Pandemie zwei Personen nicht mehr begleiten können. „Das tut mir heute noch weh.“ Generell gebe es natürlich auch Dinge, die ihr bei der Begleitung schwerfallen. „Wenn die Sterbenden sich als Last für die Angehörigen fühlen, auch wenn sie es nicht sind“, nennt sie als Beispiel. Nicht einfach sei es auch, wenn Menschen, die sie gerade bei ihrer Hospizarbeit kennengelernt hat, schon nach kurzer Zeit sterben. „Jeder Besuch ist gleichzeitig ein Abschied“, erklärt Küpper-Tetzel. „Zur Verarbeitung weine und bete ich.“

 

„Loslassen nötig für beide Seiten“

 

Ob sie nach Feierabend die Schicksale der Patienten loslassen könne? „Ich würde das nicht als Feierabend bezeichnen“, sagt sie mit Blick auf ihr doch sehr besonderes Ehrenamt. Aber es sei wichtig, Grenzen für sich selbst zu setzen, um weiter machen zu können: „Loslassen ist die Devise für alle, die mit sterbenden Menschen zu tun haben.“ Das falle schwer, sei aber notwendig für beide Seiten. Hierzulande werde sehr wenig über den Tod gesprochen, sagt Sueli Küpper-Tetzel. „Und doch, Trauer ist eine Farbe des Lebens.“ Auf dem Land seien Verstorbene früher zum Beispiel oft zu Hause aufgebahrt worden. Familie und Nachbarschaft konnten sich verabschieden. Dieses Ritual gebe es fast nicht mehr. „Unsere Gesellschaft hat sich geändert“. Aber nach wie vor sei es notwendig, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen „Diese Notwendigkeit ist gleichgeblieben.“

 

Angst vor dem Tod? Nein!

 

Ob sie selbst noch Angst habe vor dem Tod? Ein entschiedenes „Nein!“ gibt sie als Antwort. Ob sie mit ihren Erfahrungen aus der Hospizarbeit jetzt anders über den eigenen Tod denke? „Ich mache mir Gedanken über den Weg zu sterben“, sagt Küpper-Tetzel, „weniger über den Tod.“ Und ganz entschieden kommt dann ihre Antwort auf die Gretchenfrage: Wenn es bei Ihnen mal so weit ist, Frau Küpper-Tetzel, würden Sie begleitet werden wollen? „Ja!“


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